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Heft Nr. 11 - August 2002

Uli Stielike in Kobern-Gondorf

Rotweiße Pylonen unter den Arm geklemmt, ein Set Markierungshütchen in der Hand stapft Uli Stielike leicht angesäuert in Richtung Kunstrasenplatz in Kobern-Gondorf, baut dort Stationen auf und beginnt missmutig eine mit dem Verbandsjugendausschuss vereinbarte Trainingseinheit für A-Juniorentrainer der Kreise Rhein/Ahr, Koblenz und Hunsrück/Mosel. Die anfänglich wegen der beschämend geringen Zahl von nur neun Aktiven eher gedrückte Stimmung bessert sich aber mit dem allmählichen Verziehen der Regenwolken.

„Was soll man denn noch machen ?", klagte Verbandsjugendleiter Peter Lipkowski. 57 Vereine mit A-Juniorenmannschaften wurden angeschrieben, 23 Vereinsmitarbeiter aus 16 Clubs hatten schließlich zugesagt, anwesend war letztlich gerade mal ein gutes Dutzend. Die neun Aufrechten durften ein Training über sich ergehen lassen, dass Stielike in dieser Form mit seiner U-19-Nationalmannschaft absolviert. Schon beim Aufwärmen war neben der Lauf- auch Kopfarbeit gefragt. „Von Anfang an müssen die Spieler hellwach sein. Der Aufmerksamkeitsfaktor spielt bei mir eine große Rolle", erläuterte der DFB-Angestellte, der gerade seinen Vertrag verlängert hat („Die Arbeit macht mir viel Spaß. Man bekommt viel von dem zurück, was man in die Nachwuchsarbeit investiert.").

A-Juniorentrainer verlagern das Spiel und geraten dabei gehörig ins SchwitzenAns ständige Mitdenken mussten sich seine „Rheinländer" noch gewöhnen. Sie mussten sich variierende Lauf- und Ballwege einprägen und der Balltechnik höchste Priorität einräumen. Auf Fehlpässe reagierte der Ex-Nationalspieler nämlich allergisch. Kopfschütteln, kurze Pause und dann die Frage „Was war hier falsch ? Der Laufweg oder der Ballweg ?"

Die Übungen zum gewählten Schwerpunkt Spielverlagerung wurden immer komplexer (so komplex, dass der DFB-Übungsleiter öfter seinen Spickzettel bemühen musste).

„Da brauchen meine Spieler Wochen, um das begreifen zu können", stöhnte ein Jugendtrainer.

Teilgenommen haben auch zwei SVU-Trainer: Karl Groß und Egbert NeuertMit der Zeit verstanden sie ihren großen Lehrmeister. die Spielformen nahmen an Flüssigkeit und Genauigkeit zu. Sprüche wie „Arme verschränken auf dem Sportplatz gibt es nicht" oder „Kein Standfußball, bitte !" gingen gegen Null. „Das alles muss methodisch aufgebaut werden. Das ist eine Sache von Monaten und Jahren", beruhigte Stielike jene, die schon von Überforderung sprachen. Am Ende der knapp 90 Minuten ohne abschließendes Spiel hatte die inzwischen auf zehn angewachsene Trainingsgruppe neben manchem anderen zweifellos eines gelernt: Wie man eine Übungseinheit gestalten kann, bei der zu 80 Prozent mit dem Ball gearbeitet wird. Fazit nach der abschließenden Diskussionsrunde: Man hatte einen „Nationaltrainer zum Anfassen" erlebt.

Nachgefragt

Uli Stielike: Ein Nationaltrainer zum Anfassen.

Uli Stielike nahm zu vielen Fragen der Nachwuchsarbeit Stellung. Hier einige seiner Aussagen:

Zur Auswahl der Trainingselemente: „Jede Übung ist so gut, wie sie von den Spielern umgesetzt wird, und nicht wie sie der Trainer vorher notiert hat."

Zum Ziel des Trainings: „Wir müssen sehen, dass wir alle in ein Boot bekommen, ein Team formen.

Zum Konfliktherd Spieler - Eltern: „Im Kindergarten und in der Schule gibt es Elternabende. Dazu müssen wir auch kommen. Die Väter und Mütter müssen unsere Ziele und Arbeitsweisen kennen lernen. Den Trainer sehen die Spieler doch so oft wie ihren Mathelehrer."

Zum Einsatz von lizensierten Jugendtrainern: „Wir benötigen viel mehr Frauen in der Jugendarbeit, vorrangig im unteren Altersbereich. Das sind die besseren Psychologen."

Zur Nachwuchsförderung in Deutschland: „Die jungen Spieler sind da. Unsere Jugendarbeit ist gut im Vergleich zu anderen Nationen. Uns fehlt nur ein Titel."

Zu den Problemen: „Die gibt es nach wie vor an der Schnittstelle zum Seniorenbereich. Ausländer verdrängen zunehmend den deutschen Nachwuchs."

Zum neuen DFB-Talentförderkonzept: „Das darf keine Schneeflocke sein, sondern ein Schneeballsystem. Nach dem Motto: Es ist effektiver 50 Jugendtrainer auszubilden als 800 Spieler. Von den 1.200 DFB-Stützpunkttrainern erhoffen wir uns eine Breiten- und Multiplikatorenwirkung."

Zum Abschneiden der Deutschen bei der WM: „Wir sollten auf dem Boden bleiben. Wenn unsere Mannschaft spielt wie gegen die Ukraine, dann können wir die Vorrunde überstehen. Und wenn wir frühzeitig ausscheiden, dann kommt es immer noch auf die Art und Weise an."

(Anmerkung der Red.: Der Trainingslehrgang wurde am 14. Mai 2002 abgehalten. Uli Stielike konnte damals noch nicht ahnen, wie erfolgreich die deutsche Nationalmannschaft bei der WM abschneiden würde.)



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